Und am Ende mähte der ganze Saal

News

“Ich denk mir jetzt immer, wenn ich Musik höre: Ah da könnte man so einen kleinen Fitzel aus der Natur einbauen, zum Beispiel das Rauschen von Wellen oder Blätter. “

Santi, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

“Was ist das – ein Erdbeben?”, flüstert ein Mädchen ihrem Sitznachbar in der Aula der Nürtingen-Grundschule in Berlin Kreuzberg zu. Das Publikum horcht irritiert überrascht auf. Aber nein, erfahren sie, so klingt ein Pilz in seinem Innerem.

In dem Projekt “Rhythm in Nature” haben 40 Kinder der Nürtingen-Grundschule in Berlin Kreuzberg und der Willkommensschule TXL in Berlin Tegel gemeinsam mit der Künstlerin Susie Ibarra die Klänge ihrer Lebenswelten erforscht. Wie klingt der Bethaniendamm? Das Engelsbecken? Und die Tegeler Heide?

Die Geräusche haben sie mit speziellen Mikrofonen aufgenommen, extrahiert und musizierbar gemacht. Über acht Wochen haben sie sich in verschiedenen Workshops und Exkursionen mit der Natur, Musik, Tönen und Geräuschen auseinandergesetzt.

“I couldn’t even imagine that music could be created this way.”

Maria, Willkommensschule TXL Berlin-Tegel

Das war ein Wow-Effekt

Am 18. September 2024 haben sie ihr Projekt in der Aula der Nürtingen-Grundschule vor 100 Kindern vorgestellt, ihre Aufnahmen präsentiert und mit Pflanzen Musik gemacht. „Das war ein Wow-Effekt,“ lacht Carsten Cremer, Kulturagent – für alle Beteiligten. Und am Ende mähte doch tatsächlich der ganze Saal. Wieso? Weil die aufgenommenen Rufe der Tegeler Stadtschafe das Nürtinger-Publikum begeisterten.

Überhaupt die Tiere – Schafe, Pferde, Ameisen, Schwäne und ihre Füße. „Diesen Shift haben die Kinder in das Projekt gebracht“, erzählt Carsten Cremer schmunzelnd. Der Kulturagent hat das Projekt nicht nur gemeinsam mit der Künstlerin Susie Ibarra konzeptioniert, sondern auch initiiert und begleitet. „Susie hatte sehr komplexe Fragen, was unsere Beziehung zur Natur angeht und welchen Einfluss Menschen nehmen können.“

Warum nicht auch Tiere?!

“Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich etwas gelernt habe. Aber ich habe jetzt eine stärkere Verbindung zur Natur aufgebaut. Ich nehme die Natur und die Musik oft anders wahr als vor dem Projekt.”

Lara, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Die Kinder haben das ernstgenommen und sich darauf eingelassen, aber sie haben anders geantwortet, als erwartet. Beispielsweise haben sie bei dem ersten Walk durch ihre Nachbarschaft dort gehalten, wo sie wollten und nicht unbedingt dort, wo sie sollten – haben an diesen Orten dann aber konkret geforscht, zum Beispiel am Kreuzberger Engelbecken im Wasser. 

„Das war so ihr Ding: Zu hören, wie der Schwan mit seinen Schwimmfüßen schwimmt,“ nickt Carsten Cremer. Eigentlich sollte es in dem Projekt um Pflanzen, Klima und Vegetation gehen, aber gerade in der Tegel Heide, sind die Kinder und Erwachsenen immer wieder auf Tiere gestoßen, sodass „Susie Ibarra gesagt hat: Okay, warum nicht auch Tiere.“ „ Yes, the animals at Tegel field were a big hit, especially the sheep!” lacht die Künstlerin. „Also the insects were popular with the children, in their giant micro-city amidst the Heidegrass”, ergänzt sie.

Ich bin fasziniert von Susie

Susie Ibarra ist Komponistin, Perkussionistin und Klangkünstlerin. In Ihren Projekten beschäftigt sich mit natürlichen Lebensräumen, traditionellen Habitaten aber auch Aspekten des Zuhörens und der Zusammenarbeit. Sie verbindet die Arbeit in der Natur mit der im Tonstudio und auf der Bühne. „It was really wonderful to work with the elementary school children,” erzählt sie. “They have a wonderful relationship to nature.”

Und auch die Kinder sind begeistert. “Es war cool mit Susie Ibarra zusammenzuarbeiten“, sagt Lara aus der Nürtingen-Grundschule. „Das war klar anders als Schule“, bestätigen auch Karl und Santi. „Es war interessant und aufregend!“ „Ich bin fasziniert von Susie“, erzählt Maria von der Willkommensschule TXL „Sie hat uns immer geholfen, wenn wir etwas nicht konnten oder nicht verstanden haben.“

“Mir hat das komplette Projekt Spaß gemacht und mich hat einfach erstaunt, dass so viel hinter dieser Natur dahintersteckt.”

Lara, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Wir haben einfach miteinander gespielt

Neben dieser künstlerisch-forschenden Ebene hatte das Projekt noch eine zweite, erzählt Wiebke Janzen. So ging es auch darum, Schüler:innen aus unterschiedlichen Lebenskontexten  zusammenzubringen. „Wichtig war uns ein Austausch“, betont Carsten Cremer. Beide Kindergruppen haben Expertisen und die sollten sie zeigen können.

Trotz der sprachlichen Barrieren sind die Kinder bei den gemeinsamen Workshops und Ausflügen miteinander in Kontakt gekommen. „Ich weiß die Namen nicht, aber wir haben halt einfach miteinander gespielt“, erzählt Santi. Karl und Kirill haben beispielsweise gegeneinander Schach gespielt. Fast ohne Worte. Und auf dem Tegeler Feld haben die Kinder beider Schulen Grashüpfer in ihren Becherlupen betrachtet und sich erzählt, wie die Insekten in ihren Sprachen    heißen.  

Schöne Momente, die allen in Erinnerung bleiben und trotzdem, sagt Carsten Cremer, ist die Überwindung der Sprachbarrieren etwas, was in einem nächsten Projekt gezielter in den Fokus rücken könnte.

“Dass man so viel braucht, um einen Ton aus der Pflanze zu entlocken.” 

Schüler, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Mit Energie und ihren Enthusiasmus

“Ich habe gelernt, dass die Kinder aus der anderen Schule, in Containern Schule machen und einen sehr coolen Schulhof haben.”  

Karl, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Neben den Sprachen der Kinder – ukrainisch und deutsch – kam mit Susie Ibarra und den anderen Künstler:innen noch Englisch als dritte Sprache in die Projektpraxis hinzu. „Es war toll zu sehen, wie die Kinder sich damit zurechtgefunden haben“, erzählt Wiebke Janzen, 2. Konrektorin und Lehrerin an der Nürtingen-Grundschule. Wie selbstverständlich haben sie auf die Übersetzungen gewartet und dieses verlangsamte Tempo angenommen. „Sie haben ein Gefühl dafür bekommen, wir wollen hier alle mitnehmen und kommen trotz der verschiedenen Sprachen in Kontakt.“

Auch Carsten Cremer und Susie Ibarra sind beeindruckt, wie selbstverständlich sich die Kinder auf das Projekt mit all seinen Facetten eingelassen haben. „The children were so smart and also interested in the field excursions and classroom workshops. They loved participating and brought their enthusiasm and energy to each class.” Und Tiantian Wang, Lehrerin an der Willkommensschule TXL Tegel, hebt hervor: „Die Kinder zeigten sich neugierig, begeistert und aufgeschlossen. Sie ließen sich von kleinen, oft übersehenen Dingen faszinieren und waren nicht gelangweilt, selbst bei wiederholten Aktivitäten.“

Sie haben sich der Aufgaben angenommen und sind drangeblieben bis zum Schluss. Sie haben sich mit Frequenzen auseinandergesetzt, sich an Susie Ibarras Kompositionsschema gehalten, und dabei alle Rechenwege eingehalten. „Es war faszinierend, wie dieser Kern von Susies künstlerischem Vorgehen und dem, was die Kinder daraus gemacht haben, gematcht hat“, freut sich Carsten Cremer.

“Seit dem Projekt höre ich der Natur mehr zu und liebe sie auch mehr.”

Maria, Willkommensschule TXL, Berlin-Tegel

Eigenen Forschungsfragen nachgehen

“Ich fands nicht so cool, dass wir mit der Natur Musik gemacht haben. Weil die Pilze und das Heidekraut für uns gestorben sind, damit wir Musik machen können und ein schönes Projekt haben.”

Karl, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Denn auch die Forschungsfragen der Kinder hatten von Anfang ihren Raum. „Das war uns sehr wichtig“, betont Carsten Cremer. „und ist ja auch ein Grundprinzip des Kulturagentenprogramms.” Wenn Kinder und Jugendliche ihren eigenen Fragen und Interessen nachgehen können, lernen sie beispielsweise, dass sie Herausforderungen meistern und Ziele erreichen können. „Wir hatten sehr viel Freiraum. Ich hab mich gut konzentrieren können,“ sagt Santi.

Auch die verschiedenen Präsentationsorte waren ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Neben dem Termin in der Aula der Nürtingen-Grundschule haben die Kinder mit ihrem Projekt auch am bauhaus music festival 2024 teilgenommen und zum Abschluss gab es eine Veranstaltung in der DAAD-Galerie in Kreuzberg auf der unteranderem die Videodokumentation von Moritz Freudenberg gezeigt wurde. „Die Kinder haben gemerkt, hier werde ich ernstgenommen und meine künstlerische Produktion auch,“ betont Carsten Cremer. „Sie waren keine Sidekicks, sondern immer im Fokus und wirkliche Co-Producer:innen.“

“Ja, ich finds interessant und es war cool. Ich würds durchaus weiterempfehlen für Klassen, die es leid sind, deutsch zu machen.”  

Karl und Santi, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

“Mir hat am Projekt am besten gefallen, dass wir so oft in der Natur waren und dass wir viel Musik gemacht haben.”

Santi, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Kritisch, aber stolz

Auch die kritischen Gedanken der Kinder hatten einen Platz auf der Abschlussveranstaltung und konnten mit den Expert:innen diskutiert werden. „Sie haben das kritisch hinterfragt und überlegt: Wie ist denn hier die Verbindung zur Natur?“, wenn sie auf den Veranstaltungen und Präsentationen auf Pilzen aus dem Supermarkt musizieren, erzählt Wiebke Janzen.

“I am very grateful for the reflection on their part as well as ours,” sagt auch Susie Ibarra über die Arbeit der Kinder und fügt hinzu “I learned a lot.”

Und selbstverständlich hatten auch die Schafe einen Auftritt in der DAAD-Galerie. „Sie waren wir ein Orchester“, erzählt eine Schüler:in, „deshalb haben wir sie aufgenommen.“ Sie haben einfach gut performt.  

“Ich war sehr überrascht von dem Sound, der entsteht, wenn man Moos anfasst. Das klingt wie das Knirschen von verbranntem Gras.”

Maria, Willkommensschule TXL Berlin-Tegel

Die Künstlerin:

Susie Ibarra ist eine philippinisch-amerikanische Komponistin, Perkussionistin und Klangkünstlerin. 2024 war sie Fellow an der DAAD-Galerie.

„My artistic practice combines being on field, in performance, in studio and supporting conservation of traditional heritages and environments.”

Sie ist Mitbegründerin von Habitat Sounds, einem Verlag und Label, das Musik, Texte und interdisziplinäre Klangprojekte anbietet, die von der Ökologie biologisch vielfältiger Lebensräume und dem Umweltschutz inspiriert und mit ihnen verbunden sind.


Das Projekt:

Wer war beteiligt: 30 Schüler:innen der Nürtingen-Grundschule in Berlin-Kreuzberg und 10 Schüler:innen der Willkommensschule TXL in Berlin-Tegel; die Künstlerin Susie Ibarra als DAAD-Fellow; der Kulturagent Carsten Cremer des Programms Kulturagenten für kreative Schulen Berlin; die DAAD-Galerie; the temporary bauhaus-archiv / museum für gestaltung.; Grün Berlin Campus Stadt Natur, Tegel und der Übersetzer Dmytro Fedorenko

Das Projekt wurde außerdem mit der Unterstützung folgender Personen realisiert: Jake Landau, co producer of Rhythm in Nature / Moritz Freudenberg , Filmmaker, Videographer / Jen Yakamovich, Rhythm in Nature Artist, Percussionist and Composer / Trey Cregan, Rhythm in Nature Artist, Electronics and Keyboards / Agustin Genoud, 2024 Fellow Music and Sound

Das Projekt fand im Rahmen des Programms Kulturagenten für kreative Schulen Berlin der deutschen Kinder- und Jugendstiftung statt. Unterstützt von dem DAAD Artists-in-Berlin program, Grün Berlin Campus Stadt Natur, Tegel und the temporary bauhaus-archiv / museum für gestaltung.

Warum ging es: Die Kinder haben die Stadtnatur in Tegel und Kreuzberg mit Mikrofonen erforscht und mit den aufgenommenen Klängen eigene Musik kreiert und komponiert.  

Wann fand es statt: Herbst 2024 – 8 Wochen // 6 Workshops + interne Aufführungen in den Schulen + Teilnahme am bauhaus music festival 2024 + Präsentation in der DAAD Galerie 


Und am Ende mähte der ganze Saal

News

“Ich denk mir jetzt immer, wenn ich Musik höre: Ah da könnte man so einen kleinen Fitzel aus der Natur einbauen, zum Beispiel das Rauschen von Wellen oder Blätter. “

Santi, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

“Was ist das – ein Erdbeben?”, flüstert ein Mädchen ihrem Sitznachbar in der Aula der Nürtingen-Grundschule in Berlin Kreuzberg zu. Das Publikum horcht irritiert überrascht auf. Aber nein, erfahren sie, so klingt ein Pilz in seinem Innerem.

In dem Projekt “Rhythm in Nature” haben 40 Kinder der Nürtingen-Grundschule in Berlin Kreuzberg und der Willkommensschule TXL in Berlin Tegel gemeinsam mit der Künstlerin Susie Ibarra die Klänge ihrer Lebenswelten erforscht. Wie klingt der Bethaniendamm? Das Engelsbecken? Und die Tegeler Heide?

Die Geräusche haben sie mit speziellen Mikrofonen aufgenommen, extrahiert und musizierbar gemacht. Über acht Wochen haben sie sich in verschiedenen Workshops und Exkursionen mit der Natur, Musik, Tönen und Geräuschen auseinandergesetzt.

“I couldn’t even imagine that music could be created this way.”

Maria, Willkommensschule TXL Berlin-Tegel

Das war ein Wow-Effekt

Am 18. September 2024 haben sie ihr Projekt in der Aula der Nürtingen-Grundschule vor 100 Kindern vorgestellt, ihre Aufnahmen präsentiert und mit Pflanzen Musik gemacht. „Das war ein Wow-Effekt,“ lacht Carsten Cremer, Kulturagent – für alle Beteiligten. Und am Ende mähte doch tatsächlich der ganze Saal. Wieso? Weil die aufgenommenen Rufe der Tegeler Stadtschafe das Nürtinger-Publikum begeisterten.

Überhaupt die Tiere – Schafe, Pferde, Ameisen, Schwäne und ihre Füße. „Diesen Shift haben die Kinder in das Projekt gebracht“, erzählt Carsten Cremer schmunzelnd. Der Kulturagent hat das Projekt nicht nur gemeinsam mit der Künstlerin Susie Ibarra konzeptioniert, sondern auch initiiert und begleitet. „Susie hatte sehr komplexe Fragen, was unsere Beziehung zur Natur angeht und welchen Einfluss Menschen nehmen können.“

Warum nicht auch Tiere?!

“Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich etwas gelernt habe. Aber ich habe jetzt eine stärkere Verbindung zur Natur aufgebaut. Ich nehme die Natur und die Musik oft anders wahr als vor dem Projekt.”

Lara, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Die Kinder haben das ernstgenommen und sich darauf eingelassen, aber sie haben anders geantwortet, als erwartet. Beispielsweise haben sie bei dem ersten Walk durch ihre Nachbarschaft dort gehalten, wo sie wollten und nicht unbedingt dort, wo sie sollten – haben an diesen Orten dann aber konkret geforscht, zum Beispiel am Kreuzberger Engelbecken im Wasser. 

„Das war so ihr Ding: Zu hören, wie der Schwan mit seinen Schwimmfüßen schwimmt,“ nickt Carsten Cremer. Eigentlich sollte es in dem Projekt um Pflanzen, Klima und Vegetation gehen, aber gerade in der Tegel Heide, sind die Kinder und Erwachsenen immer wieder auf Tiere gestoßen, sodass „Susie Ibarra gesagt hat: Okay, warum nicht auch Tiere.“ „ Yes, the animals at Tegel field were a big hit, especially the sheep!” lacht die Künstlerin. „Also the insects were popular with the children, in their giant micro-city amidst the Heidegrass”, ergänzt sie.

Ich bin fasziniert von Susie

Susie Ibarra ist Komponistin, Perkussionistin und Klangkünstlerin. In Ihren Projekten beschäftigt sich mit natürlichen Lebensräumen, traditionellen Habitaten aber auch Aspekten des Zuhörens und der Zusammenarbeit. Sie verbindet die Arbeit in der Natur mit der im Tonstudio und auf der Bühne. „It was really wonderful to work with the elementary school children,” erzählt sie. “They have a wonderful relationship to nature.”

Und auch die Kinder sind begeistert. “Es war cool mit Susie Ibarra zusammenzuarbeiten“, sagt Lara aus der Nürtingen-Grundschule. „Das war klar anders als Schule“, bestätigen auch Karl und Santi. „Es war interessant und aufregend!“ „Ich bin fasziniert von Susie“, erzählt Maria von der Willkommensschule TXL „Sie hat uns immer geholfen, wenn wir etwas nicht konnten oder nicht verstanden haben.“

“Mir hat das komplette Projekt Spaß gemacht und mich hat einfach erstaunt, dass so viel hinter dieser Natur dahintersteckt.”

Lara, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Wir haben einfach miteinander gespielt

Neben dieser künstlerisch-forschenden Ebene hatte das Projekt noch eine zweite, erzählt Wiebke Janzen. So ging es auch darum, Schüler:innen aus unterschiedlichen Lebenskontexten  zusammenzubringen. „Wichtig war uns ein Austausch“, betont Carsten Cremer. Beide Kindergruppen haben Expertisen und die sollten sie zeigen können.

Trotz der sprachlichen Barrieren sind die Kinder bei den gemeinsamen Workshops und Ausflügen miteinander in Kontakt gekommen. „Ich weiß die Namen nicht, aber wir haben halt einfach miteinander gespielt“, erzählt Santi. Karl und Kirill haben beispielsweise gegeneinander Schach gespielt. Fast ohne Worte. Und auf dem Tegeler Feld haben die Kinder beider Schulen Grashüpfer in ihren Becherlupen betrachtet und sich erzählt, wie die Insekten in ihren Sprachen    heißen.  

Schöne Momente, die allen in Erinnerung bleiben und trotzdem, sagt Carsten Cremer, ist die Überwindung der Sprachbarrieren etwas, was in einem nächsten Projekt gezielter in den Fokus rücken könnte.

“Dass man so viel braucht, um einen Ton aus der Pflanze zu entlocken.” 

Schüler, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Mit Energie und ihren Enthusiasmus

“Ich habe gelernt, dass die Kinder aus der anderen Schule, in Containern Schule machen und einen sehr coolen Schulhof haben.”  

Karl, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Neben den Sprachen der Kinder – ukrainisch und deutsch – kam mit Susie Ibarra und den anderen Künstler:innen noch Englisch als dritte Sprache in die Projektpraxis hinzu. „Es war toll zu sehen, wie die Kinder sich damit zurechtgefunden haben“, erzählt Wiebke Janzen, 2. Konrektorin und Lehrerin an der Nürtingen-Grundschule. Wie selbstverständlich haben sie auf die Übersetzungen gewartet und dieses verlangsamte Tempo angenommen. „Sie haben ein Gefühl dafür bekommen, wir wollen hier alle mitnehmen und kommen trotz der verschiedenen Sprachen in Kontakt.“

Auch Carsten Cremer und Susie Ibarra sind beeindruckt, wie selbstverständlich sich die Kinder auf das Projekt mit all seinen Facetten eingelassen haben. „The children were so smart and also interested in the field excursions and classroom workshops. They loved participating and brought their enthusiasm and energy to each class.” Und Tiantian Wang, Lehrerin an der Willkommensschule TXL Tegel, hebt hervor: „Die Kinder zeigten sich neugierig, begeistert und aufgeschlossen. Sie ließen sich von kleinen, oft übersehenen Dingen faszinieren und waren nicht gelangweilt, selbst bei wiederholten Aktivitäten.“

Sie haben sich der Aufgaben angenommen und sind drangeblieben bis zum Schluss. Sie haben sich mit Frequenzen auseinandergesetzt, sich an Susie Ibarras Kompositionsschema gehalten, und dabei alle Rechenwege eingehalten. „Es war faszinierend, wie dieser Kern von Susies künstlerischem Vorgehen und dem, was die Kinder daraus gemacht haben, gematcht hat“, freut sich Carsten Cremer.

“Seit dem Projekt höre ich der Natur mehr zu und liebe sie auch mehr.”

Maria, Willkommensschule TXL, Berlin-Tegel

Eigenen Forschungsfragen nachgehen

“Ich fands nicht so cool, dass wir mit der Natur Musik gemacht haben. Weil die Pilze und das Heidekraut für uns gestorben sind, damit wir Musik machen können und ein schönes Projekt haben.”

Karl, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Denn auch die Forschungsfragen der Kinder hatten von Anfang ihren Raum. „Das war uns sehr wichtig“, betont Carsten Cremer. „und ist ja auch ein Grundprinzip des Kulturagentenprogramms.” Wenn Kinder und Jugendliche ihren eigenen Fragen und Interessen nachgehen können, lernen sie beispielsweise, dass sie Herausforderungen meistern und Ziele erreichen können. „Wir hatten sehr viel Freiraum. Ich hab mich gut konzentrieren können,“ sagt Santi.

Auch die verschiedenen Präsentationsorte waren ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Neben dem Termin in der Aula der Nürtingen-Grundschule haben die Kinder mit ihrem Projekt auch am bauhaus music festival 2024 teilgenommen und zum Abschluss gab es eine Veranstaltung in der DAAD-Galerie in Kreuzberg auf der unteranderem die Videodokumentation von Moritz Freudenberg gezeigt wurde. „Die Kinder haben gemerkt, hier werde ich ernstgenommen und meine künstlerische Produktion auch,“ betont Carsten Cremer. „Sie waren keine Sidekicks, sondern immer im Fokus und wirkliche Co-Producer:innen.“

“Ja, ich finds interessant und es war cool. Ich würds durchaus weiterempfehlen für Klassen, die es leid sind, deutsch zu machen.”  

Karl und Santi, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

“Mir hat am Projekt am besten gefallen, dass wir so oft in der Natur waren und dass wir viel Musik gemacht haben.”

Santi, Nürtingen-Grundschule Berlin-Kreuzberg

Kritisch, aber stolz

Auch die kritischen Gedanken der Kinder hatten einen Platz auf der Abschlussveranstaltung und konnten mit den Expert:innen diskutiert werden. „Sie haben das kritisch hinterfragt und überlegt: Wie ist denn hier die Verbindung zur Natur?“, wenn sie auf den Veranstaltungen und Präsentationen auf Pilzen aus dem Supermarkt musizieren, erzählt Wiebke Janzen.

“I am very grateful for the reflection on their part as well as ours,” sagt auch Susie Ibarra über die Arbeit der Kinder und fügt hinzu “I learned a lot.”

Und selbstverständlich hatten auch die Schafe einen Auftritt in der DAAD-Galerie. „Sie waren wir ein Orchester“, erzählt eine Schüler:in, „deshalb haben wir sie aufgenommen.“ Sie haben einfach gut performt.  

“Ich war sehr überrascht von dem Sound, der entsteht, wenn man Moos anfasst. Das klingt wie das Knirschen von verbranntem Gras.”

Maria, Willkommensschule TXL Berlin-Tegel

Die Künstlerin:

Susie Ibarra ist eine philippinisch-amerikanische Komponistin, Perkussionistin und Klangkünstlerin. 2024 war sie Fellow an der DAAD-Galerie.

„My artistic practice combines being on field, in performance, in studio and supporting conservation of traditional heritages and environments.”

Sie ist Mitbegründerin von Habitat Sounds, einem Verlag und Label, das Musik, Texte und interdisziplinäre Klangprojekte anbietet, die von der Ökologie biologisch vielfältiger Lebensräume und dem Umweltschutz inspiriert und mit ihnen verbunden sind.


Das Projekt:

Wer war beteiligt: 30 Schüler:innen der Nürtingen-Grundschule in Berlin-Kreuzberg und 10 Schüler:innen der Willkommensschule TXL in Berlin-Tegel; die Künstlerin Susie Ibarra als DAAD-Fellow; der Kulturagent Carsten Cremer des Programms Kulturagenten für kreative Schulen Berlin; die DAAD-Galerie; the temporary bauhaus-archiv / museum für gestaltung.; Grün Berlin Campus Stadt Natur, Tegel und der Übersetzer Dmytro Fedorenko

Das Projekt wurde außerdem mit der Unterstützung folgender Personen realisiert: Jake Landau, co producer of Rhythm in Nature / Moritz Freudenberg , Filmmaker, Videographer / Jen Yakamovich, Rhythm in Nature Artist, Percussionist and Composer / Trey Cregan, Rhythm in Nature Artist, Electronics and Keyboards / Agustin Genoud, 2024 Fellow Music and Sound

Das Projekt fand im Rahmen des Programms Kulturagenten für kreative Schulen Berlin der deutschen Kinder- und Jugendstiftung statt. Unterstützt von dem DAAD Artists-in-Berlin program, Grün Berlin Campus Stadt Natur, Tegel und the temporary bauhaus-archiv / museum für gestaltung.

Warum ging es: Die Kinder haben die Stadtnatur in Tegel und Kreuzberg mit Mikrofonen erforscht und mit den aufgenommenen Klängen eigene Musik kreiert und komponiert.  

Wann fand es statt: Herbst 2024 – 8 Wochen // 6 Workshops + interne Aufführungen in den Schulen + Teilnahme am bauhaus music festival 2024 + Präsentation in der DAAD Galerie